Schokofahrt – Eine Reise zum nachhaltigen Genuss
Die Schokofahrt verbindet die Freude am Radfahren und guter Schokolade mit dem Einsatz für die Verkehrswende und nachhaltiges Wirtschaften. ADFC-Mitglied Gregor stellt die besondere Radsternfahrt vor.
Erfunden wurde die Schokofahrt von Münsteraner Lastenradnutzer*innen. Aus der Erfahrung der täglichen Lastenradnutzung heraus und der Erkenntnis, dass der Warentransport per Lkw auf der Straße zur Lieferung aller erdenklichen Waren zur täglichen Verfügbarkeit im Supermarktregal alles andere als nachhaltig ist, entstand die Idee zur Schokofahrt. Zwei Fahrrad-Tagesetappen von Münster entfernt liegt Amsterdam, wo die Firma Chocolate Makers ihren Sitz hat. Das kleine Unternehmen stellt hochwertige Bio-Schokolade mit Kakao aus verschiedenen Ländern her, der unter Zahlung eines fairen Preises direkt von den Erzeuger*innen bezogen wird. Unter anderem wird Kakao aus der Dominikanischen Republik verarbeitet, welcher von einer Kooperative angebaut und per Segelschiff nach Europa transportiert wird. Den Transport übernimmt das niederländische Unternehmen Fairtransport mit dem Schiff Tres Hombres. Fairtransport ist damit Pionier in der aktuell kleinen Nische emissionsfreien Transports mit der Kraft des Windes über den Atlantik und belebt alte Handelsrouten neu. Die Schokofahrt fügt der Vision eines nachhaltigen Schokoladengenusses ein weiteres Puzzle-Stück hinzu, indem die in Amsterdam mit erneuerbaren Energien hergestellten Schokoladentafeln per (Lasten-)Rad in den Laden nach Deutschland gebracht werden. Aus der einmaligen Aktion aus Münster ist inzwischen ein deutschlandweites Netzwerk entstanden. Zweimal im Jahr – an Ostern und im Oktober – machen sich begeisterte Freiwillige auf den Weg nach Amsterdam, um – zumeist mit dem Lastenrad – zuvor bestellte Schokolade zurück in die Heimat zu strampeln. So wird das ganze Projekt zu einer großen Fahrrad-Sternfahrt.
Ich selbst habe bereits zweimal an der Schokofahrt teilgenommen und plane an Ostern 2023 das dritte Abenteuer dieser Art. Beim ersten Mal bin ich ganz klein und vorsichtig eingestiegen. Mit einem geliehenen Lastenrad ging es von Konstanz über den Schwarzwald nach Freiburg und zurück. Ich profitierte vom Konzept der Staffelfahrt und dem Engagement netter Freiburger*innen, die Schokolade von der niederländischen Grenze mitgebracht hatten. So konnte ich in Freiburg eine kleine Menge Schokolade sowie zwei große Eimer Nüsse einladen und nach Konstanz radeln. Die Schokolade hatten Freunde und Bekannte bestellt, die Nüsse von Fairfood aus Freiburg gingen zum Verkauf in den Konstanzer Unverpacktladen Silo. Begleitet wurde ich von zwei Dornbirner*innen, die emissionsfrei transportierte Schokolade nach Dornbirn brachten, wo sie in einem Fahrradladen verkauft wurde. Ich machte die Erfahrung, dass man auch mit einem elektrisch unterstützten Lastenrad ganz ordentliche Tagesetappen zurücklegen kann, für die Fahrt über den Schwarzwald mit Beladung aber ein Ersatzakku an Bord sein muss.
Nachdem dieser Testlauf erfolgreich verlief, war ich auf den Geschmack gekommen und wollte es wissen: Einmal mit eigener Kraft mit dem Lastenrad von Konstanz nach Amsterdam und zurück – ohne auf der Hinfahrt mit dem Zug abzukürzen. So startete ich in Begleitung eines Freundes am Wochenende vor Ostern in Konstanz bei Schneeschauern über den Hegau in Richtung Freudenstadt. Von dort an stieg die Temperatur von Tag zu Tag und wir genossen den Frühling im Mittelrheintal und freuten uns an der Kirschblüte in der Bonner Altstadt. Ab Düsseldorf war ich gemeinsam mit Freiburger Schokofahrern unterwegs und in kleiner Gruppe flitzten wir über niederländische Radwege. Auf der letzten Etappe von Arnheim nach Amsterdam wuchs die Gruppe um einen Mannheimer und einige Leute aus Münster. Ostersamstag war dann großes Treffen im Amsterdamer Hafen zum Laden der Schokolade und schon ging’s auf den Weg zurück. Die 500 Tafeln Schokolade und eine Flasche Rum passten genau in die Ladebox des Lastenrads und der Strom aus den zwei Akkus half beim Strampeln. Eine Woche später konnte die bestellte Schokolade in Konstanz ausgeliefert werden.
Bei der Schokofahrt gibt es ein Netzwerk, in dem sich die verschiedenen Radler*innen und Gruppen vernetzen, unterstützen und austauschen, aber Vieles muss selbst organisiert werden: Route, Zeitplan, Übernachtungen, Abschätzung der Transportmenge, Abstimmung der örtlichen Schokoladenbestellungen, verwendetes Fahrrad, usw. Dadurch gestaltet jede Gruppe die Schokofahrt etwas anders, aber sie wird zum gemeinsamen Erlebnis.
Ostern 2023 wird es zwei unabhängig voneinander planende und fahrende Gruppen aus Konstanz geben. Ich werde gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen mit dem Zug in den Norden fahren und den Rückweg als Rennradtour mit Anhänger zurücklegen und bin gespannt, wie sich diese Transportlösung bewährt.
Auch wenn ich nicht der Illusion erliege, dass große Teile unseres heutigen Warentransports per Lastenrad erfolgen könnten, so ist das Projekt Schokofahrt in meinen Augen doch geeignet, zum Nachdenken anzuregen über unseren Ressourcenverbrauch und wie eine für unseren Planeten und seine heutigen und künftigen Bewohner*innen verträgliche Lebensweise aussehen könnte. Das bedeutet in meinen Augen nicht Askese und dass wir nie wieder Schokolade, Kaffee und Südfrüchte genießen können, sondern ein Besinnen auf ein verträgliches Maß und den wahren Preis eines nicht ausbeuterischen Wirtschaftens. Wenn ein leckeres Stück dunkler Schokolade mit Kakaonibs und einem Hauch Meersalz auf meiner Zunge zerschmilzt, bin ich voller Dankbarkeit und Wertschätzung für den Genuss im Gedanken an die Kakaoproduzent*innen, die Schiffsbesatzung und Radler*innen mit kräftigen Waden. Zu all dem kommen die Freuden einer Radtour wie die Bewegung an der frischen Luft und das Durchstreifen unbekannter Landstriche.
Wer neugierig geworden ist und mehr wissen will, kann sich auf www.schokofahrt.de informieren oder sich an Gregor direkt wenden: gregor.gaffga [at] posteo.de. Er freut sich, wenn Andere die Idee aufgreifen und eine eigene Tour starten oder in den kommenden Jahren mal mitradeln.